Am Ende einer erfolgreichen Jubiläumsfeier: Der Vorstand des TV mit dem Vorsitzenden Reinhard Schmitt in der Mitte. Foto: Alexander Sell

Ein ehrfurchtsvoller Blick zurück, ein optimistischer Ausblick in die Zukunft: Die Jubiläumsfeier 125 Jahre TV Nieder-Olm in der Ludwig-Eckes-Halle bot das, was der TV vorher versprochen hatte. Zwei außerordentlich kurzweilige Stunden, mit wenigen, aber dafür interessanten Reden, Videobotschaften als moderner Variante des Grußwortes, einem peppigen Tanz und einer aufschlussreichen Talkrunde zum Thema “Sportvereine im Spannungsfeld Ganztagsschulen und Sportstätten”.

Historische Protokolle und Fahnen

In seiner Festrede spannte der 1. Vorsitzende des TV Nieder-Olm, Reinhard Schmitt, zunächst den den Bogen vom Kaiserreich, über die 1920er- und 1930er-Jahre, die Nachkriegszeit bis heute. Er verwies dabei darauf, dass noch sämtliche Vorstandsprotokolle aus der Gründungszeit bis 1907 erhalten sind – Süterlin. “Für mich grenzt das an ein Wunder.” Ebenso wie die Existenz der 1896 von der Nieder-Olmer Bürgerschaft gestiftete Vereinsfahne, die nun dank der Crowdfunding-Aktion der MVB auch für die nächsten 125 Jahre konserviert werden konnte.

“Es ist sehr bemerkenswert, dass der Turnverein überhaupt noch existiert”, sagte Schmitt. Schließlich sei der Verein im Kaiserreich gegründet worden, habe den 1. Weltkrieg, die Weimarer Republik, das 3. Reich und den 2. Weltkrieg sowie zwei Währungsreformen und die Einführung des Euro überstanden: “Im Laufe dieser Zeit war der Verein beziehungsweise das Turnen zeitweise verboten, der Verein wurde zwangsweise fusioniert und freiwillig wieder entflochten, Grundstücke enteignet, Vorsitzende vom Staat abgesetzt und, und, und.” Für Schmitt ist klar: “Das konnte über die Jahrzehnte nur funktionieren, weil es immer wieder engagierte, ehrenamtliche Männer und Frauen gab, die sich unserem Verein und damit dem Sport verschrieben haben und das unter Rahmenbedingungen, die wir uns heute nicht mehr vorstellen können.” Der Ursprung des Vereins, das Turnen, sei nie aus den Augen verloren worden. Aber heute stehe der TV als moderner Sportverein da.

“Die Chronik unseres Vereins ist auf unserer Homepage detailliert nachlesbar”, sagte Schmitt und legte in seiner weiteren Rede das Hauptaugenmerk auf die Zukunft: Sport habe man früher mit  jungen Menschen und Wettkampf assoziiert. “Das ist mit Sicherheit auch heute noch so, auch im Turnverein spielt der Wettkampfsport eine große Rolle. Daneben spielt aber der Freizeit- und Gesundheits- sowie der  Seniorensport eine immer größere Rolle.” Und da beginne das Problem. Viele Mitbürger würden sich nicht mehr an einen Verein binden wollen, sondern nur für einen zeitlich begrenzten Zeitraum Sport treiben. Diesem Wunsch komme der TV mit dem Kurssystem nach. “Hier zeigt sich aber auch die Herausforderung für die Vereine: Früher blieb man ein Leben lang in seinem Verein, heute nimmt man ein Angebot wahr.”

Wachstum, Professionalisierung, Heimat

Für den TV-Vorstand bedeute dies, dass er den Verein nun fit machen muss für die Zukunft: “Vor fünf Jahren haben wir uns in einem Workshop mit Mitgliedern und dem Vorstand unter anderem das Ziel gesetzt, von derzeit knapp 2000 Mitgliedern auf etwa 2500 Mitglieder zu wachsen. Dieses Wachstum ist nicht Selbstzweck oder Größenwahn, sondern notwendig um die organisatorischen, rechtlichen und finanziellen Anforderungen in Zukunft zu erfüllen”, meinte Schmitt. Dazu gehöre einerseits die Professionalisierung der Vorstandsarbeit – wie auch immer das am Ende aussehen mag. Aber vor allem auch die Suche nach einer Heimat des TV, einem Vereinsheim, einer Geschäftsstelle. Die Hoffnung liege hier auf der Unterstützung der öffentlichen Hand – inklusive eines eigenen Beitrages.

Für den Schirmherr des Jubiläums, Stadtbürgermeister Dieter Kuhl, ist das TV-Festjahr ein wichtigers Jubiläum. “Der TV bietet ein Stück Heimat, er führt Generationen und Bürger zusammen.” Der Verein könne in diesem Jahr einen “stolzen Blick zurück” werfen, aber auch mit “voller Kraft voraus” fahren. Kuhl würdigte vor allem Reinhard Schmitt, der seit nunmehr 28 Jahren dem Verein vorsteht. Dafür gab es viel Applaus aus dem Publikum. Schmitt revanchierte sich und überreichte dem Schirmherren einen Flasche Jubiläumswein und ein T-Shirt mit dem Jubel-Logo. Der Staatssekretär aus dem Sportministerium, Randolf Stich, würdigte den TV als “starke Gemeinschaft mit einem breiten und modernen Angebot”. Bezogen auf die Rede des Vorsitzenden sagte er: “Rheinland-Pfalz ist ein Ehrenamtsland, die Hälfte der Bevölkerung macht mit. aber wir  müssen den Menschen wieder verstärkt klar machen, dass es sich lohnt, sich zu engagieren.”

Talkrunde zum Thema Ganztagsschulen

In der von AZ-Redakteur Dennis Rink moderierten Talkrunde mit Reinhard Schmitt, Landrätin Dorothea Schäfer, dem Bürgermeister der Verbandsgemeinde Nieder-Olm, Ralph Spiegler, und der stellvertretenden Schulleiterin der IGS, Dorit Born, ging es darum, wie die Vereine überleben können, wenn mehr und mehr Ganztagsschulen an den Start gehen. Landrätin Dorothea Schäfer sagte: “Wir brauchen mehr Sporthallen, auch große.” Dafür befinde man sich im Gespräch mit den Gebietskörperschaften in der Nachbarschaft. Aber auch die Verbände müssten hier mit ins Boot. Für Ralph Spiegler sind die Rahmenbedingungen in Nieder-Olm ideal. Aber nichts ist so gut, als das es nicht noch weiterentwickelt werden könnte. Die Ganztagsschule jedenfalls böte nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Außerdem ist er sicher: “In ein paar Jahren werden wir nur über verpflichtende Ganztagsschulen reden.”

Die Tanzmädels der TV zeigten danach zur Auflockerung einen bunten Bändertanz. Und Reinhard Schmitt warf denn zum Ende hin doch noch mal einen kurzen Blick zurück. 25 Jahre, um genau zu sein. Damals waren bei der 100-Jahrfeier des Clubs die beiden heutigen Vize-Vorsitzenden Mainrad Linnebacher und Mathias Solms mit ihren neugeborenen Kindern auf der Bühne. “Die Zukunft des TV” war nun 25 Jahre später wieder auf der Bühne, als stattliche junge Erwachsene, deren Väter wichtige Rollen im TV wahrnehmen: “Man kann also bei uns was werden”, sagte Schmitt mit Blick auf Tina Blank und Eileen Labott, die mit ihren in dem Jahr neugeborenen Kindern ebenfalls auf der Bühne stand – als Hoffnung für die weitere Zukunft des Vereins.

Der Rest war Feiern: Das Weingut Bischofsmühle hatte ein leckeres und viel beachtetes Buffet aufgebaut. In vielen Gesprächen vertieften sich die Vereinsmitglieder und Ehrengäste, unter denen neben den Vertretern aus der Politik auch Harald  und Peter Eugen Eckes sowie die Vertreter von MVB und Sparkasse Mainz, Volker Hedderich und Thorsten Mühl, waren.

 

Frisch, locker, modern: Jubiläumsfest mit Ausblick in die Zukunft